
David Koch ist 19 Jahre alt und hat im Sommer 2021 sein Abitur gemacht. Er kickt beim SV Hellern und ist riesiger Fußball-Fan. Seit vielen Jahren steht er beim VfL Osnabrück in der Ostkurve. Und David macht das, was unter eingefleischten Fußballfans als „Groundhopping“ bekannt ist. Er tourt durch Europa und versucht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Spiele in möglichst vielen verschiedenen Stadien zu sehen. Reisen wir mit David durch verschiedene Stadien.

Viktoria 1889 Berlin – VfL Osnabrück 1:2
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark
15. Oktober, 3112 Zuschauer (davon ca. 1000 Gäste)
3. Liga, Deutschland
Die Anreise zum Spiel erfolgte schon früh am Morgen, so dass wir die Stadt gemütlich erkunden und dem Stadion schon weit vor Anpfiff einen Besuch abstatten konnten. Dass in Berlin manches anders ist, merkten wir, als ein Fahrgast seelenruhig in der S-Bahn seine Pistole mit Patronen ausstattete.
Also schnell ausgestiegen und schnell auf ein paar Bier ins Regierungsviertel, um sich schon mal auf das Spiel einzustimmen. Deutlich vor Spielbeginn fanden wir uns im alten DDR-Stadion ein und genossen die besondere Atmosphäre bei Flutlicht. Das 1952 eröffnete Stadion mit seinen auffälligen bunten Sitzschalen sollte eigentlich schon 2020 abgerissen und neugebaut werden, wir haben Dank des Aufstiegs von Viktoria nochmal die Möglichkeit, das Stadion zu besuchen. Aufgrund von Brandschutzvorgaben darf das Stadion allerdings nur zur Hälfte gefüllt werden und die Haupttribüne muss geschlossen werden. An jenem Freitagabend war die Stimmung im weiten Rund trotz der geringen Zuschauerzahl aufgrund des Charmes des Stadions einmalig. Auf dem Rasen konnte der VfL einen 1:0-Rückstand noch in einen Sieg drehen.

Tennis Borussia Berlin – Chemie Leipzig 0:1
Mommsenstadion
17. Oktober, 1558 Zuschauer (davon ca. 600 Gäste)
Vor dem eigentlichen Ziel der Reise, Italien, gab es in der Berliner Vorstadt noch einen starken Gästeauftritt und ein schönes Stadion zu sehen. Vor dem Stadion also schnellstens raus aus dem Auto, das Reisegepäck gegen eine Packung Kekse als Bezahlung bei den Ordnern abgegeben und rein ins Stadion.
Der mitgereiste Anhang aus Leipzig zauberte zu Spielbeginn ein schönes Konfetti-Intro auf die Ränge. Trotz des eher ereignisarmen Spiels wurde man mit einem stimmgewaltigen Auswärtsblock belohnt. Nach dem Spiel schnell das Gepäck abgeholt, in die S-Bahn und ab zum Flughafen Richtung Bergamo.

Inter Mailand – Sheriff Tiraspol 3:1
Stadio Giuseppe Meazza
19. Oktober, 43.305 Zuschauer (davon ca. 2000 Gäste)
Champions League, UEFA
Die Anreise zum Stadion San Siro erfolgte mit dem Zug aus Bergamo nach Mailand. Das 1926 gebaute Stadion, von dem Teile aus dem Jahr immer noch im untersten Tribünenrang erhalten sind, ist atemberaubend schön. Aus der U-Bahn-Station kommend geht man direkt auf das Stadion zu. Vor dem Stadion sind unzählige Schalverkäufer und Fressbuden. Die Tribünen sind so schmal, dass man die Knie des Hintermannes dauerhaft im Rücken spürt und man hoffen muss, einen schmächtigen Sitznachbarn zu haben, da es sonst eng wird. An diesem Abend war mit Sheriff Tiraspol die Überraschungsmannschaft des bisherigen Turnierverlaufs zu Gast. Sie hatte Real Madrid geschlagen und thronte unbesiegt auf Tabellenplatz 1. Inter war die dominierende Mannschaft und gewann am Ende hochverdient. Bei den Toren brachen im ganzen Stadion alle Dämme. Den anschließenden Hüpfeinlagen schlossen sich alle Zuschauer an, egal ob zehn oder 80 Jahre alt. Das Stadion sollte jeder Fußballfan vor Abriss 2023 noch einmal besuchen.

Pro Sesto – Calcio Parma 2:2
Stadio Breda
20. Oktober, 562 Zuschauer (davon ca. 70 Gäste)
Serie C, Italien
Am frühen Mittwochabend ging es in den Mailänder Norden nach Sesto San Giovanni zur 3. Liga. An der Tageskasse noch schnell ein Ticket gekauft, mit dem Verkäufer einige Geschichten über Osnabrück ausgetauscht – und schon ging es rein in das Stadion.
Direkt am Spielfeldrand hatte ich den Duft von nassem Rasen, Bratwurst und Bier in der Nase. Die Nähe zum Spielfeldrand ermöglichte es einigen Fans auf der Stehplatztribüne, ihren Spielern lautstark Anweisungen zu geben, und so litt besonders der Torwart unter den wütenden Ausbrüchen seiner Anhänger. Auf dem Platz konnte der Heimverein als Tabellenletzter dem Spitzenreiter in der Nachspielzeit noch einen Punkt abluchsen und so kam in dem 33 Jahre alten Stadion nochmal ordentlich Stimmung auf.

Torino FC – Genua FC 3:2
Stadio Olimpico Grande Torino
22. Oktober, 9881 Zuschauer (davon ca. 700 Gäste)
Serie A, Italien
Um Geld zu sparen, nahm ich den Regionalzug, was entsprechend viel Zeit kostete. Ohne Ticket musste ich notgedrungen vorher noch in der Stadt im Fanshop vorbeischauen.
Dank der fanunfreundlichen Anstoßzeit (18:30 Uhr auf einem Freitagabend), verirrten sich nur wenige ins Olympiastadion in Turin und ein Großteil der Gästefans kam erst, nachdem schon 20 Minuten gespielt waren. Dafür hatten sie offensichtlich gute Laune, denn trotz einer schwachen Leistung der Mannschaft hatten sie Spaß beim Supporten ihrer Mannschaft. Turin war dominant und Genua kam erst ab der 70. Minute ins Spiel, was den Zuschauern eine spannende Schlussphase bescherte.

AC Monza –AS Cittadella 1:0
Stadio Brianteo
23. Oktober, 2521 Zuschauer (davon ca. 150 Gäste)
Serie B, Italien
Am Samstag ging es nach Monza. Die Stadt liegt nordöstlich von Mailand und ist den meisten wegen der dortigen Rennstrecke „Autodromo Nazionale Monza“, auf welcher seit 1950 regelmäßig der Große Preis von Italien in der Formel 1 ausgetragen wird, bekannt. Das Stadion des Clubs, dessen Eigentümer Silvio Berlusconi ist, liegt etwas außerhalb der Stadt und ist für italienische Verhältnisse recht modern.
Das Spiel war lange offen und wurde erst in der Nachspielzeit entschieden. Nach Abpfiff verpasste ich den Zug nach Brescia zum dortigen Spiel und so entschied ich mich spontan für einen Besuch der Rennstrecke und lief noch durch den Park von Monza – einem der größten europäischen, von einer Mauer umgebenen Parks.

Atalanta Bergamo – Udinese Calcio 1:1
Gewiss Stadium
24. Oktober, 9951 Zuschauer (davon ca. 350 Gäste)
Serie A, Italien
Der Tag startete für mich mit einem Streik der Lokführer, so dass ich den Weg zum Stadion zu Fuß auf mich nehmen musste. Durch die heruntergekommenen Vororte Bergamos ging es dann zügig ins Stadion, das nach der Renovierung eine Mischung aus neuem Stadion nach englischem Vorbild (steile Tribünen, nahe am Spielfeldrand) und aus einem typisch italienischen Stadion (oval, ohne Dach) ist.
Die Sicht auf das Stadion mit dem angrenzenden Gebirge „Orobie“ ist atemberaubend. Die Gäste aus Udinese konnten in der vierten Minute der Nachspielzeit noch den Ausgleichstreffer ihrer Mannschaft bejubeln, womit ein Punkt beim Favoriten gewonnen wurde.

Inter Mailand – Juventus Turin 1:1
Stadio Giuseppe Meazza
24. Oktober, 56.532 Zuschauer (ausverkauft, davon ca. 6.000 Gäste)
Serie A, Italien
Einen Tag vorher hatte ich noch eine Restkarte für die günstigste Kategorie ergattert. Dementsprechend war die Planung zur An- und Abreise relativ dürftig, so dass Probleme auf beiden Wegen vorprogrammiert waren. Aber der Reihe nach: Zu meinem Pech streikten die Lokführer. Ich musste spontan den Bus nehmen. Im Stadion stimmten sich die Fans beider Fanlager schon aufs Derby d´Italia ein und zeigten offenkundig ihre Abneigung gegenüber dem anderen Verein. Meine Freude am Spiel war allerdings schnell vorbei. Der Kolumbianer Juan Cuadrado wurde durchgängig aufgrund seiner Hautfarbe ausgepfiffen und jede seiner Ballberührung mit Affenlauten begleitet. Rassismus hat in den Stadien nichts zu suchen.
Das Spiel hingegen war ein großer Kampf, ein spektakuläres Schauspiel, was bei Flutlicht im San Siro ein einzigartiger Anblick war. Die Rückreise verlief, wie schon erwähnt, abermals schwierig. Ich musste nach dem Verpassen des letzten Zugs spontan noch auf einen FlixBus umsteigen, den ich in der Mailänder Nacht erstmal finden musste.

VfL Osnabrück – SC Freiburg 2:2 (2:3 i.E.)
26. Oktober, Stadion an der Bremer Brücke – 12.000 Zuschauer (davon ca. 400 Gäste)
DFB-Pokal, Deutschland
Dienstagabend. Zurück in Osnabrück an der Bremer Brücke. Flutlicht. Pokalspiel. Wie geil wäre es, dem Tabellendritten der Bundesliga die erste Saisonniederlage zuzufügen? Da die aktive Fanszene in Osnabrück nach der Coronapause ihren Support der Mannschaft wieder aufgenommen hatte, war alles angerichtet für eine Pokalüberraschung.
Zu Beginn gab es, statt einer vorher vom DFB verbotenen Choreografie, eine Pyro-Show zu sehen und die Luft knisterte schon von der ersten Minute an. Nach etlichen vergebenen Chancen dauerte es bis zur 97. Minute, ehe der Ausgleichstreffer für den VfL fiel. Spätestens nach dem Führungstor in der Verlängerung brachen alle Dämme. Das ganze Stadion stand Kopf und fieberte lautstark dem Abpfiff entgegen. Die Anspannung war nun mit den Händen greifbar. Nach packender Verlängerung verlor der VfL letztlich im Elfmeterschießen.

Bayer 04 Leverkusen – Karlsruher SC 1:2
BAYARENA
27. Oktober, 13.060 Zuschauer (davon ca. 1000 Gäste)
DFB-Pokal, Deutschland
Für das letzte Spiel der Reise hatte ich mir mit einer Freundin schon im Vorfeld Karten besorgt. Also in Lotte ab auf die Autobahn und die A1 Richtung Süden bis zum Stadion am Bayerwerk genommen. Vor Ort war das Stadion auch für einen Mittwochabend um 18:30 Uhr überraschend leer und so konnte man die moderne Arena begutachten, welche bei weitem nicht den Charme der vorher besuchten traditionsreichen Stadien hat.
Die anwesenden Zuschauer hatten allerdings offensichtlich Bock auf den anstehenden Pokalfight und den ewigen Kampf zwischen dem Favoriten und dem Underdog. Aus der ersten Reihe sahen wir ein umkämpftes Spiel, bei dem die mitgereisten Fans aus Karlsruhe dank der miserablen Chancenverwertung der Werkself am Ende ausgelassen feiern konnten.
Text und Fotos: David Koch (Ausnahme Foto VfL vs. Freiburg: Stefan Reinisch)