Als Rui Mendes in der 36. Spielminute das 1:0 schießt, vermutet Sebastian Voss, dass das ein guter Tag werden kann. Mendes wird später noch das 2:1 auflegen und als „Spieler des Matches“ von den Fans des FC Emmen gefeiert.
Der 22-Jährige kam als Siebenjähriger mit seiner portugiesischen Familie nach Dissen, begann dort zu kicken, galt als talentierter Nachwuchsspieler, wechselte zu starken Vereinen und sorgte in der Saison 2021/22 in der zweiten niederländischen Liga beim Tabellenführer FC Emmen für Furore.
Bald gegen Ajax und PSV
In der kommenden Saison wird Mendes mit seinen Rot-Weißen gegen Ajax Amsterdam und den PSV Eindhoven in der Eredivisie, der ersten niederländischen Liga, auflaufen. Nach einem schwierigen Jahr mit Verletzungspech in Hoffenheim und kurzer Vertragslosigkeit scheint der Knoten nun geplatzt zu sein.
Ende März, beim Spiel gegen den Telstar Velsen, sitzt Sebastian Voss als einer von etwa 10.000 Fans im schnuckeligen Stadion in Emmen, knapp eineinhalb Autostunden von Osnabrück entfernt. Mendes ist seit Wochen in bestechender Form. Entsprechend gut ist die Laune von Voss. Der 43-jährige Osnabrücker ist der Spielerberater von Mendes. Er hat den Stürmer mitentdeckt, trainiert, gefördert und den Transfer nach Emmen mit einem seiner Partner in der Spieleragentur Noack Sports eingefädelt. „Sebastian ist mindestens 50 Prozent des Erfolges“, sagt Mendes nach dem Spiel. Voss, aufgewachsen in Bersenbrück, steht wie ein stolzer und glücklicher Vater neben Rui Mendes.
„An solchen Spieltagen zahlt sich meine Arbeit aus. Die Fahrten, die vielen Gespräche, das Begleiten“, sagt Voss auf der Rückfahrt aus Emmen nach Osnabrück. Voss meint damit nicht das Monetäre. Das betont er ausdrücklich. Natürlich hat er am Wechsel von Mendes nach Emmen verdient. Natürlich hat er auch Geld damit verdient, als er den wahrscheinlich prominentesten seiner „Jungs“, Steffen Tigges, zum BVB gebracht hat.
Was Voss meint, ist der sportliche Erfolg von einem seiner Jungs, die er über Jahre begleitet. Eben die Momente, in denen Mendes Spieler des Matches wird oder Steffen Tigges zur Champions-League-Hymne im ausverkauften Signal Iduna Park in der Dortmunder Startelf steht. Tigges tauscht zur neuen Saison das BVB-Trikot gegen das des 1. FC Köln.
Vielseitiger Spielerberater
Voss hat in Vechta Soziale Arbeit studiert, er hat als Schulsozialarbeiter gearbeitet, als Lehrer unterrichtet und kümmert sich derzeit mit etwa einer Zweidrittelstelle bei der Stadt Osnabrück in der Koordinierungsstelle Schulabsentismus um Kinder, die nicht zur Schule gehen können oder wollen. „Ich könnte sicherlich auch nur als Spielerberater arbeiten. Aber ich brauche diesen Ausgleich, diesen anderen Blickwinkel auf Dinge“, sagt Voss. Seine pädagogische Kompetenz ist als Spielerberater viel wert.
Egal, in welcher Lebensphase er war – der Fußball hat ihn immer angezogen. Sebastian Voss kickte selbst in Bersenbrück. Im Studium trainierte er erstmals eine Mannschaft, in Osterfeine am Dümmer See. Später war er einige Jahre im Leistungszentrum vom VfL Osnabrück aktiv, trainierte unter anderen Steffen und Leon Tigges, knüpfte wichtige Kontakte und rutschte in die Beraterbranche. Voss wurde später Trainer der U15 von Viktoria Georgsmarienhütte und holte den damals 13-jährigen Rui Mendes zur Viktoria.
Nachwuchsspieler entdecken
Es sind Jungs wie Mendes und die Tigges-Zwillinge, um die sich Voss kümmert. „Für talentierte Spieler, die 15 oder 16 Jahre alt sind, bin ich gern Berater oder Begleiter“, sagt Voss. Aber den Wahnsinn, dass sich Berater heute schon auf Elfjährige stürzen, mache er nicht mit.
Als Spielerberater beobachtet Voss die sportliche Entwicklung seiner Jungs. Er ist im Stadion oder schaut sich Spiele über Streaming-Dienste an. Er geht auf Vereine zu, wenn es dort für seine Jungs nicht gut läuft. Er sucht Perspektiven, den „next step“, nennt er das. Er stimmt sich mit den anderen Beratern der Agentur ab. Voss ist gefühlt rund um die Uhr für seine Spieler da. Er besucht sie. Er schreibt WhatsApp-Nachrichten. Er muntert auf, er spornt an. Während des Spiels von Rui Mendes in Emmen verfolgte er im Ticker das Spiel von Leon Tigges, der zeitgleich für den Regionalligisten SV Rödinghausen im Tor stand und zu Null spielte. Wenige Stunden vorher hatte er den verletzten Steffen Tigges bei seinen Eltern in Bad Iburg getroffen – zum „Krankenbesuch“ auf einen Kaffee.
Und dann geht es noch darum, Nachwuchsspieler in der Region Osnabrück zu entdecken und fördern. Voss hat sein Netzwerk. Er ist bekannt in der Region. Zudem hat die Agentur Noack Scouts. Es geht darum, weitere Talente wie Rui Mendes zu entdecken. Der erzählte vor dem Stadion in Emmen, dass er sein erstes Spiel unter Trainer Voss in Georgsmarienhütte nie vergessen werde. Rui machte damals vier Tore, auch das entscheidende zum 6:5 in letzter Minute. Seitdem sind Offensivspieler Mendes und Sebastian Voss jeden „step“ zusammengegangen.
Text und Fotos: Tobias Romberg