Ein Ball saust im schnellen Tempo auf das Tor zu. Es war ein Fahrrad, welches den Ball quer durch die Halle geschlagen hat. Radball, eine außergewöhnliche Sportart, wird beim Radsportverein „Frisch-voran 07“ Bramsche auf hohem Niveau gespielt. Reporterin Kim Wilmering war in Bramsche und hat es ausprobiert.
Beim Radball spielen Teams auf speziellen Fahrrädern und in Mannschaften gegeneinander mit einem Ball auf Tore. Der Sport schwappte vor mehr als hundert Jahren aus den USA nach Deutschland. 1930 fand die erste Weltmeisterschaft statt. Deutschland gewann im Zweier-Radball seinen ersten Titel.
Um Radball genauer kennenzulernen, durfte ich den RSV „Frisch-voran 07“ in Bramsche besuchen. Bramsche ist Radball-Hochburg im Norden. 1963 gelang es zwei Mannschaften, in die Bundesliga aufzusteigen. Insgesamt 15 Mal wurde der RSV Bramsche deutscher Meister. Derzeit spielen die beiden besten Bramscher Teams in der dritthöchsten Spielklasse, der Oberliga Niedersachsen. Neben dem Zweier-Radball kann man in Bramsche auch noch Einradfahren, Radwandern, Reigenfahren, Einrad-Polo, Fünfer-Hallenradball und Sechser-Rasenradball spielen.
An der Gartenstadtturnhalle in Bramsche begrüßen mich der Vereinsvorsitzende Manfred Klose und Jugendtrainer Arno Scheerhorn. Klose begleitet mich auf die Tribüne der kleinen Turnhalle, von welcher wir einen guten Ausblick auf das Training der 8- bis 14-Jährigen haben. Hier darf ich direkt einen Blick auf die Räder werfen. Klose erklärt mir, dass es sich bei den Radballrädern nicht um gewöhnliche Fahrräder handelt. Was mir direkt auffällt: Anstelle eines geraden Lenkers hat der Lenker der Radballräder eine geschwungene U-Form. Staunend bemerke ich, dass auch der Sattel woanders sitzt. Er ist am Ende des Fahrrads platziert. Was das für einen Unterschied macht, werde ich später noch bemerken.
Nach einer 15-minütigen Aufwärmrunde bauen die Sportler mit Trainer Scheerhorn zusammen das Spielfeld auf. Die Fläche ist 14 Meter lang und 11 Meter breit. Sie ist umgeben von einer 30 Zentimeter hohen Schrägbande aus Holz. Tore werden aufgestellt, die zwei Meter breit und ebenso hoch sind. Scheerhorn teilt Mannschaften ein. Heute treten Zweiterteams gegeneinander an. Auf der Tribüne erklärt mir Manfred Klose, dass es zudem noch Fünfer-Hallenradball und Sechser-Rasenradball gibt. Sechser-Rasenradball spielt man draußen auf dem Sportplatz. Je nach Spieleranzahl und Alter der Teams variieren die Größe des Spielfeldes und die Spieldauer. Im Zweier-Radball beträgt die Spielzeit bei den Herren zweimal sieben Minuten mit einer zweiminütigen Halbzeitpause und Seitenwechsel.
Anspruchsvolle Regeln
Ein Signal ertönt: Nun beginnt das Spiel. Eine der Grundregeln beim Radball ist es, dass der Ball nicht gespielt werden darf, wenn Hände und Füße nicht am Rad sind. Auch darf man den Ball, wenn man nicht im Tor steht, nicht mit den Händen berühren. Vor dem Tor gibt es einen Strafraum. Nur ein Spieler darf im eigenen Strafraum verteidigen. Bei Missachtung dieser Regeln erfolgt ein Strafschuss, der auch bei groben Fouls gepfiffen wird. Wie beim Fußball gibt es rote und gelbe Karten.
Mir fällt auf, wie konzentriert die Kinder versuchen, den Ball im richtigen Winkel zu treffen. Das ist gar nicht so leicht und braucht viel Übung, erklärt mir Manfred Klose. Nach den Spielen üben die Radsportler Torschüsse. Die Trainierenden stellen sich der Reihe nach auf, nehmen Schwung und fahren auf den Ball zu, um diesen bestmöglich ins Tor zu befördern. Dafür ist Kraft und natürlich die richtige Technik notwendig. Bei den Profis kann der Spielball schon mal bis zu 90 Stundenkilometer schnell werden. Zum Abschluss des Trainings spielen die Radballer noch Fangen. Natürlich auf ihren Rädern. Ich staune, wie schnell und wendig sie mit ihren Rädern umhersausen.
Nach dem Training treffe ich mich mit dem 14-jährigen Richard Borgstede und dem 13-jährigen Hinnrich Mügge. Radball begeistert Richard, da ihm die Kombination aus Ballsport und Radfahren viel Spaß macht. Er kam vor zwei Jahren durch seine Schwester zum RSV. Hinnrich, der erst seit einem halben Jahr dabei ist, rät mir als Einsteigerin, besonders auf den Gleichgewichtssinn zu achten.
Nun bin ich dran. Ich möchte herausfinden, wie es ist, Radball zu spielen. Manfred Klose, der mehr als 50 Jahre Spielerfahrung hat und deutscher Meister war, hilft mir. Bereits beim Aufsteigen kippe ich fast um. Das Losfahren hat viel damit zu tun, die Balance zu halten. Auch die Sitzposition ist zunächst sehr ungewohnt. Das Rad ist viel wendiger als ein normales Fahrrad und beschleunigt gut. Nachdem ich mich etwas eingefahren habe, versuche ich, den Ball zu schießen. Das ist leichter gesagt als getan. Bei meinem ersten Versuch fahre ich den Ball eher um, als ihn zu schießen. Klose lacht kurz und tröstet mich dann. Es brauche etwas, um die richtige Technik zu lernen. Nach einiger Zeit treffe ich den Ball halbwegs gut. Doch so gekonnt wie bei den Profis sieht es noch lange nicht aus.
Viele DM-Titel in Bramsche
Mehrere Generationen sind im RSV Bramsche aktiv. Jugendtrainer Scheerhorn spielt derzeit in der Landesliga. Der 22-Jährige ist seit zehn Jahren dabei und stand auch schon einmal im Achtelfinale um die deutsche Meisterschaft. Vorstandsvorsitzender Manfred Klose spielt seit 1965 Radball in Bramsche. Er war bei 14 DM-Titeln der Bramscher als Spieler dabei. Auch wenn aus mir wahrscheinlich kein Radballprofi mehr wird, konnten mich die Sportler in Bramsche mit ihrer Freude und Leidenschaft für den Sport anstecken.
Text: Kim Wilmering / Fotos: RSV Bramsche, Kim Wilmering