Die Osnabrückerin Susanne Veismann ist im vergangenen August Weltmeisterin der Altersklasse 55 Plus geworden. Als 23-Jährige stand sie sogar schon gegen Steffi Graf auf dem Platz von Rot Weiß Berlin. Im Interview erzählt die 55-jährige Grundschullehrerin von ihrem Spiel gegen „Miss Vorhand“ und was mentale Stärke ausmacht.
Frau Veismann, wir haben uns vor einiger Zeit zum Interview getroffen. Zwischenzeitlich ist viel passiert. Können Sie mir ein kurzes persönliches Corona-Update geben?
Ja, seit dem 6. Mai darf wieder gespielt werden, die internationalen Turniere auch in Deutschland sind bis zum 30. August zwar noch untersagt, viele von denen finden jetzt aber als DTB-Turniere seit Ende Juni unter den jeweiligen Hygieneregeln statt. Die im Vorjahr erspielten Punkte bleiben bis zu diesem Zeitpunkt eingefroren. Ich selbst war lange im Homeoffice und bin bis zum Tennisstart jeden Tag bis auf zwei Ausnahmen gejoggt. Ich habe mich an alle Einschränkungen gehalten.
Sie sind die Nummer eins in Ihrer Altersklasse in Deutschland und haben mit Ihrem Team die Weltmeisterschaft in Portugal gewonnen. Wann haben Sie angefangen, Tennis zu spielen?
Veismann: Ich habe mit acht oder neun Jahren angefangen. Ich bin allerdings nicht – wie ein typisches Tenniskind – durch meine Eltern zu dem Sport gekommen. Wir haben ganz in der Nähe eines Tennisplatzes gewohnt. Mein Bruder ist drei Jahre älter als ich und hat damals Tennis gespielt. Ich wollte immer das machen, was er auch macht, und so bin ich zum Tennis gekommen. Meine eigentliche Leidenschaft war aber das Voltigieren.
Pferd und Schläger – haben Sie beide Sportarten parallel gemacht?
Anfangs ja. Allerdings war es damals so, dass man nur bis zum 16. Lebensjahr voltigieren durfte. Dann hat man in der Regel mit dem Reiten angefangen. Ich hatte keine Möglichkeit, ein eigenes Pferd zu bekommen, und dann war relativ schnell klar, dass der Sport keine Zukunft für mich hatte. Meine Eltern haben mich dann auch so beeinflusst, dass ich beim Tennis hängen geblieben bin.
Die Eltern waren dann sicher froh, dass es nur einen Sport gab, oder?
Auf jeden Fall. Ich habe teilweise an einem Tag Deutsche Meisterschaften im Voltigieren und Bezirksmeisterschaften im Tennis gehabt. Da haben meine Eltern dann irgendwann auch gesagt: „Nee, das machen wir nicht noch einmal.“ Die mussten mich schließlich immer hin und herfahren.
Das Voltigieren war Geschichte. Standen Sie ab da dann voll und ganz auf dem Tennisplatz?
Ja, allerdings war ich als Jugendliche nicht besonders erfolgreich. Ich bin zwei Mal Bezirksmeisterin geworden. Das war das Beste, was ich in dem Alter erreicht habe.
Dann sind Sie jetzt mit 55 Jahren erfolgreicher?
Die Zeit hat einfach für mich mitgespielt. Dadurch, dass ich sehr fit bin, bin ich in der Relation immer besser geworden. Im Damenbereich bin ich nie Landesmeisterin gewesen. Das kam alles erst im Altersklassenbereich und der fängt mit 30 Jahren an.
Boris Becker, Steffi Graf – das waren ja damals Topstars im Tennis, die einen richtigen Hype ausgelöst haben. Waren die Vorbilder für Sie?
Die waren ein bisschen jünger als ich, von daher waren sie eher keine Vorbilder, so was hatte ich nie. Aber ich habe sogar einmal gegen Steffi Graf gespielt. Sie war damals 16 Jahre alt und die Nummer drei der Welt. Sie hat damals in der Regionalliga Nord gespielt, und zwar für diesen Berliner Club LTTC „Rot-Weiß Berlin“. Sie hatte zugesagt, dass sie dort ein Spiel spielt. Und dann hat sie ausgerechnet gegen mich gespielt.
Aber wie kamen Sie ausgerechnet von Osnabrück nach Berlin auf den Tennisplatz von Rot Weiß? Der LTTC RW Berlin und der OTC spielten damals gemeinsam in der Regionalliga Nord, Steffi Graf und ich spielten jeweils an der Position 1 und so ergab sich diese Begegnung.
Was für ein Zufall!
Das war natürlich Bombe! Da waren mehr als tausend Zuschauer auf dem Center Court. Ich war damals 23 Jahr alt. Mir war klar, dass ich keine Chance gegen sie habe. Bei solchen Spielen geht es wirklich nur darum, ob man sich blamiert oder nicht – für mich zumindest. Ich habe aber sogar ein Spiel gewonnen. Das war dann noch ein ganz gutes Ergebnis. SAT 1 und RTL waren damals noch neue Sender. Die haben nach dem Spiel beide ein Interview mit mir gemacht. Das muss so 1987 gewesen sein. Eine Woche später hat Steffi Graf das erste Mal das Turnier in Berlin gewonnen und auch Martina Navratilova besiegt. Danach ist sie Nummer eins der Weltrangliste geworden.

Foto: Susanne Veismann Archiv
Sie haben die Technik von Steffi Graf direkt auf dem Platz mitbekommen. Wie war das?
Ich wusste schon vorher, was sie konnte. Sie hatte eine Bomben-Vorhand und wurde auch Miss Vorhand genannt. Sie hatte die schnellsten Beine und so viel Dampf. Ich wusste, dass ich Null Chancen hatte. Aber es war schon damals bekannt, dass Steffi Graf ein absolutes Ausnahmetalent war und ich bin mir sicher, sowas wird es nicht noch einmal geben. Das ist natürlich ein Moment, den ich nie vergessen werde.
Damals boomte Tennis.
Ja, das war damals schon die Hochzeit des Sports. Ich habe beim OTC gespielt und wenn wir ein Punktspiel hatten, da war die Tribüne brechend voll. Heute guckt kaum jemand mehr zu.
Woran liegt das, was meinen Sie?
Ich glaube, dass liegt daran, dass die deutschen Tennisstars fehlen. Der große Tennisboom ist vorbei, da bin ich mir sicher.
Aber für Sie ist Tennis nach wie vor Ihr Sport?
Ich finde es nach wie vor reizvoll, wobei ich kein Hallenspezialist bin. Ich bin gerne an der frischen Luft, in der Sonne. Für mich ist beim Tennis der große Reiz, dass ich mit minderer Technik, durch Strategie, Fitness und mentale Stärke einen Gegner aushebeln kann, der technisch besser ist. Tennis ist komplex, da muss alles stimmen. Das sieht man zum Beispiel bei Angelique Kerber. Sie hat das Tennisspielen nicht verlernt, verliert aber jede erste Runde. Das ist alles Kopfsache. Beim Tennis muss einfach alles stimmig sein und zusammenpassen. Es reicht schon ein kleiner Schnitt am Finger, der einen mental aus der Bahn werfen kann.
Wie steht es denn um Ihre mentale Stärke?
Die mentale Stärke ist bei mir sehr gut ausgeprägt. Es gibt Leute, die anfangen mit ihrem Schläger zu schmeißen, wenn sie nicht gut spielen. Die bringen sich damit selbst aus dem Spiel. Diese Stärke entscheidet Spiele.
Sie sind im vergangenen Jahr Weltmeisterin geworden. Was war das für ein Gefühl?
Das ist natürlich Wahnsinn. Das war die Weltmeisterschaft in Portugal. Aber ich muss auch dazu sagen: Wir haben als Team gewonnen und ich habe keinen entscheidenden Punkt dazu beigesteuert. Das ist wirklich so.
Reisen Sie dann als Team an oder wie läuft das ab?
Wir kommen aus verschiedenen Bundesländern und haben uns vor Ort getroffen. Wir hatten eine gemeinsame Wohnung, was für den Teamspirit wirklich gut war. Dort haben wir eine Woche zusammen verbracht.
Wie lange hatten Sie Zeit, sich auf das erste Match vorzubereiten?
Das ging sofort los. Wir sind an einem Samstag angereist und Sonntag hatten wir das erste Match. Meine Teamkollegen kannten sich und haben schon mal gemeinsam gespielt, das war von Vorteil. Ich bin neu dazugestoßen.
Wie oft stehen Sie auf dem Platz?
Ich spiele viele Turniere. Freitag, Samstag, Sonntag – dann ist man so gut im Tritt und braucht nicht mehr so viel Training. Dafür stehe ich unter der Woche nicht so oft auf dem Platz – zwei- bis dreimal, wenn ich es schaffe. Diese Saison stand ich an 30 von 36 Wochenenden auf dem Tennisplatz. Im Winter ist es natürlich schwieriger, weil man eine Halle buchen muss. Ich gehe aber auch gerne Joggen oder fahre mit dem Rad. Aber Rennradfahren, das mache ich nicht mehr.
Joggen, Rennradfahren, Tennis… Sie sind eine absolute Sportskanone.
Ich habe immer schon gerne Sport gemacht. Ich fühle mich unwohl, wenn ich keinen Sport mache. Mir fällt es leichter, täglich Joggen zu gehen, als einen Tag Pause zu machen. Ich versuche, sechsmal die Woche Sport zu machen. Ich laufe allerdings nicht, wenn es hagelt. So bin ich dann nicht (lacht).
Frau Veismann, vielen Dank für das Interview!
Zur Person:
Susanne Veismann hat Mathematik und Sport studiert und arbeitet an der Heiligenweg Grundschule in Osnabrück.