Im Knast haben sie damit angefangen. Vor mehr als 200 Jahren. Vielleicht aus Langeweile. Oder, um sich fit zu halten. Man weiß es nicht so genau. Not macht eben erfinderisch. Und in Hasbergen schlägt man sich im „Knastsport” ziemlich gut.
Volker Igelbrink, 58 Jahre alt, war noch nie im Gefängnis. Aber der Hasbergener macht auch diese Sache, die einige Insassen des Fleet Prison damals in ihrer Zelle in London ausprobierten und kultivierten. Er spielt Squash, er schlägt einen schwarzen Ball in einem geschlossenen Raum raffiniert gegen eine Wand, am besten so, dass sein Gegner den von der Wand abprallenden Ball nicht erreicht. Und vor allem: Igelbrink, Lokführer bei der DB Cargo, investiert unheimlich viel in seine Sportart, die in Deutschland eher ein Nischendasein fristet, in Ländern wie Ägypten hingegen Stars hervorbringt.
Warum ausgerechnet Ägypten? Man kennt es vom Kricket, vielleicht auch vom Rugby oder Polo – britische Kolonialherren brachten ihre Sportart in die Länder des Commonwealth wie Ägypten oder nach Indien. Die Süddeutsche Zeitung schrieb im Oktober 2019, dass neun der besten 20 Squashspieler aus Ägypten kommen. Squash ist dort Volkssport.
In Deutschland ein ganz anderes Bild: „Die Lichter in den Squash-Courts erlöschen“, zeichnet die Süddeutsche Zeitung ein düsteres Bild. In den 1980er-Jahren seien Squash-Anlagen noch wie Pilze aus den Böden geschossen, in den 1990er-Jahren habe es bundesweit nahezu 1000 Anlagen gegeben. „Fast 30 Jahre später sind es dem Deutschen Squash Verband (DSQV) zufolge nur noch rund 320.“
Exzellente Jugendarbeit
Volker Igelbrink ist das egal. Er ist seit 2004 Vorsitzender des Squash-Club (SC) Hasbergen und hat Hasbergen zur Hochburg des einstigen Gefängniszeitvertreibs gemacht. Die erste Herrenmannschaft ist in die Bundesliga Nord aufgestiegen und misst sich dort mit Hamburg, Bremen und Paderborn. Leider wurde der Saisonstart Anfang des Jahres wegen Corona mehrmals verschoben. Zu Beginn des Jahres darf zwar kein Jugend- und Mannschaftstraining stattfinden, aber Einzel sind erlaubt. Ein Privileg. Im Juniorenbereich haben die Hasbergener schon 13 Deutsche Meistertitel gewonnen.
Volker Igelbrink ist drahtig, durchtrainiert. Wenn man dem Mann irgendeinen Schläger und irgendeinen Ball in die Hand drückt, kann man davon ausgehen, dass er etwas Vernünftiges damit anstellt. Das wird er mir auch einige Wochen nach unserem ersten Treffen beweisen, bei einem ungleichen Duell auf einem der vier Squash-Courts im Freizeitland Hasbergen.
Während unseres ersten Treffens in seinem Haus stecken immer wieder Deutsche Meister ihre Köpfe in das Wohnzimmer, sagen, wo sie hingehen, oder fragen Alltägliches. Es sind Igelbrinks Söhne. Die Jungs sind 19, 17 und 15. Sie heißen André, Dennis und Fabian. 2018 waren sie in ihren Altersklassen bundesweit die Besten. Drei Deutsche Meister aus einer Familie. Das gibt es nicht oft. Igelbrink hat einen noch älteren Sohn aus erster Ehe, auch er spielt für den SC Hasbergen. Alle vier Söhne haben die Ballsport-Gene des Vaters.
Dieser fing im Alter von zehn Jahren in Hagen bei der Spielvereinigung Niedermark mit Tischtennis an. Als er schon im Berufsleben steckte, entdeckte er den Tennissport für sich. Nun spielte er beides in Mannschaften. Jahre später, 1981, spielte er mit seinem Cousin erstmals Squash, in einer Halle in der Pagenstecher Straße in Osnabrück. Es sind die ersten Boom-Jahre dieser Sportart, die zuletzt 1908 zu den olympischen Sportarten gehörte. Und auch Volker Igelbrink war sofort begeistert: „Ich habe sofort gemerkt, dass das mein Ding ist. Da kann man sich so richtig auspowern. Das hat mir beim Tennis immer gefehlt.“
Die Liebe zum Squash
Er bleibt am Ball. 1989 wird der Squash-Club in Hasbergen gegründet. Igelbrink wird sofort Mitglied. Er spielt einige Jahre lang Tennis, Tischtennis und Squash in Mannschaften. „Die Liebe zum Squash hat letztlich gewonnen“, sagt er.
Irgendwann, während unseres Gesprächs, nimmt Igelbrink einen Zeitungsartikel in die Hand. Er ist winzig klein, ein Einspalter mit einem Foto, das kaum größer ist als eine Briefmarke. In dem kurzen Bericht geht es um die Meistertitel der Igelbrink-Jungs. Es gab auch schon mal längere Artikel. Aber im Großen und Ganzen gilt das, was für viele Nischensportarten gilt: Ein Meistertitel in einer solchen Sportart findet medial weniger Berücksichtigung als ein Lokalderby in der Fußball-Bezirksliga.
Die erfolgreichen Söhne seien ohnehin nicht scharf drauf, permanent in den Medien zu sein, sagt Papa Igelbrink. Aber es geht letztlich um mehr: Um die verdiente Aufmerksamkeit für Spitzensport in unserer Region. André Igelbrink wird in der kommenden Saison mit der Herrenmannschaft in der Bundesliga für Hasbergen spielen. Dennis und Fabian kommen vermutlich gelegentlich zum Einsatz. Obwohl Dennis amtierender Deutscher Meister ist, stehe er momentan lieber auf dem Skateboard als auf dem Squash-Court. Der jüngste Sprössling, Fabian, hat vor, Squash-Profi zu werden. Leben könnte er von dem Sport vorübergehend, wenn er zu den hundert besten Spielern gehört. Möglich ist das. Für seine Jungs und ihre Squash-Turniere fährt Igelbrink – dann auch in Begleitung seiner Frau – auch schon mal zu Turnieren nach Schweden oder England.
Dass sie auf den Squash-Courts im Freizeitland Hasbergen Bundesliga spielen, ist eine Sensation für eine solch kleine Gemeinde. Mittlerweile gibt es hier einige Talente. Unter den 150 Mitgliedern sind Jugendliche, viele Jungs, aber auch einige Mädchen. Volker Igelbrink hat zu dieser Entwicklung einen großen Beitrag geleistet.
Ach ja, mein Match gegen Volker Igelbrink war klasse. Als „alter“ Tischtennis- und Tennisspieler liegt mir Squash, ich war aber chancenlos. Gewöhnen muss man sich an die Wände und den Gegner im Raum. Der SC Hasbergen veranstaltet einmal im Jahr einen Racketlon, ein Turnier bei dem man gegen einen Gegner in Tischtennis, Tennis, Badminton und Squash antritt. Beim nächsten Turnier, im Jahr 2022, werde ich für Sportlich unterwegs dabei sein.
Fotos: Volker Igelbrink, Pentermann/Dittrich, Tobias Romberg
Diesen Text haben wir in der vierten Ausgabe unseres Magazins „Sportlich unterwegs“ veröffentlicht.