Ein Schnorchel taucht an der Wasseroberfläche auf, Chlorwasser schießt in die Höhe, ein Flossenschlag später und schon taucht der Schnorchel wieder ab. Von der Wasseroberfläche aus betrachtet sieht es gar nicht so spektakulär aus, was sich in einigen Metern Tiefe an diesem Abend so abspielt. Doch unter der Wasseroberfläche geht es richtig zur Sache.
Es ist Anfang Januar, als ich mit einer Gruppe Wassersportbegeisterter im Osnabrücker Schinkelbad verabredet bin. Ein wenig nostalgisch fühlt es sich an, war ich vermutlich vor knapp zwei Jahrzehnten das letzte Mal in diesem, zumindest gefühlt, ältesten Bad der Stadt. Während ein paar Schwimmer im Becken ihre Bahnen ziehen und hin und wieder untertauchen, versucht sich eine junge Frau nebenan mit Paddel und einem kleinen Kanu über Wasser zu halten. Ein skurriles und zugleich witziges Bild – zumindest für mich.
Nachdem ich Winterjacke und Handschuhe gegen Badehose und Schnorchel getauscht habe, geht es los. Ein paar Bahnen schwimmen, ein paar Meter tauchen – schon jetzt komme ich an meine Grenzen. Zugegeben: Das letzte Mal, dass ich längere Zeit unter Wasser tauchen gewesen bin, war vor mehr als zwei Jahren. Dass ich trotzdem so schlecht bei Atem bin, frustriert mich.
Während ich mir gemeinsam mit meinen heutigen Mitspielerinnen und Mitspielern Badekappe, Taucherbrille und Flossen anlege, geht es auch schon los. Fünf Spieler pro Seite lauern am Beckenrand auf den Startschuss, ehe einer der Teilnehmer einen mit Salzwasser gefüllten Ball ins Wasser wirft. Einen Wimperschlag später stürmen die Mitspieler beider Teams los. Ab jetzt hilft nur noch der Blick unter Wasser – zehn Spieler rangeln und kämpfen um den handballgroßen Ball.
Wie beim Kugelstoßen
Ziel des Spiels, das offiziell als Unterwasser-Rugby (UWR) bezeichnet wird, ist es, den Ball im gegnerischen Korb zu versenken, der an diesem Abend in rund 3,80 Meter Tiefe auf dem Boden des Beckens abgestellt ist. Das Spielgerät selbst darf nur unter der Wasseroberfläche transportiert, von den Spielern geführt oder zu einem Mitspieler gepasst werden. Wie beim Kugelstoßen fühlt es sich an, wenn man den Ball, der automatisch zu Boden sinken würde, weitergeben möchte. Drall und Effet inklusive.
Doch das lange Tauchen, Luft holen und wieder Abtauchen zehrt schnell an den Kräften. Wenn die Gegner mit dem Ball aufs Tor zu schwimmen, muss man den Korb auch dann noch verteidigen, wenn man eigentlich an die Wasseroberfläche schwimmen möchte, um Luft zu holen. Außerdem ist Körpereinsatz gefragt, eben wie beim klassischen Rugby. Außer an der Ausrüstung zu ziehen ist nahezu alles erlaubt.
Gegner von allen Seiten
Was es für den Sport vor allem braucht, erklärt mir Dennis Buschermöhle. Er selbst ist schon längere Zeit beim Unterwasserclub Osnabrück und organisiert an diesem Abend das Training. „Ruhe unter Wasser, Luft einteilen, das effizient nutzen und viel Übersicht“, sagt er kurz und knapp. „Ich selbst habe relativ wenig Fitness, dafür aber viel Luft und kann mich lange auf den Korb legen, um ihn zu verteidigen. Aber wenn ich einmal rüber schwimme und mit angreife, dann brauche ich zwei, drei Minuten, um mich danach wieder auf den Korb legen zu können.“
Neben Ausdauer und der Fähigkeit, mehrere Sekunden die Luft anzuhalten, hilft auch eine gute Übersicht, aber auch ein gewisses, räumliches Verständnis. Denn im Gegensatz zu anderen Ballsportarten, kann beim Unterwasser-Rugby nicht nur das Spielgerät in alle Richtungen bewegt werden, sondern auch die Spieler selbst. „Plötzlich sind nicht nur unter und neben einem Spieler, sondern auch von oben Leute, die auf einen zukommen“, sagt ein Teilnehmer an diesem Abend, „da kommt schon viel zusammen. Das ist das Tolle, ist aber auch anspruchsvoll.“
Jeder kann mitmachen
Für mich ist es an diesem Abend nicht nur schwer, ausreichend Luft zu speichern, um tauchen zu können – auch die einzelnen Spieler beider Teams auseinanderzuhalten ist nicht gerade einfach. Blaue und weiße Badekappen, mit einem Schutz für die Ohren, wie beim Wasserball, sind für mich das einzige Erkennungsmerkmal.
Mitmachen kann beim Unterwasser-Rugby übrigens jeder – egal wie alt oder wie lange man die Luft anhalten kann. Der älteste Teilnehmer sei 75 Jahre alt gewesen, erinnert sich Dennis Buschermöhle. Er habe irgendwann aufgehört, weil die Zeit gefehlt habe. Auch vor zu viel körperlicher Härte braucht man bei dieser Sportart keine Angst zu haben. Zwar wird ordentlich um den Ball gerangelt – unfair wird es aber nicht.
Ursprung in Deutschland
Seinen Ursprung hat das Unterwasser-Rugby im Übrigen in Deutschland, genauer gesagt in deutschen Tauchvereinen. Unterwasser-Rugby wurde in den 1960er-Jahren eingeführt. Es wurde mit einem mit Salzwasser gefüllten Ball gespielt. In der Anfangsphase wurden unter Wasser auch Netze gespannt, wodurch eine Art Unterwasser-Volleyball entstanden ist. Seit den 1970er-Jahren werden regelmäßig internationale Meisterschaften ausgetragen. Beim Unterwasserclub Osnabrück lief es ähnlich, auch wenn der Spaß und das Hobby im Vordergrund stehen. Die Mehrzahl der Teilnehmer, die überwiegend aus Stadt und Landkreis Osnabrück kommen, sei über das Tauchen beim UWR gelandet. Nur neue Mitglieder zu finden, sei nicht so einfach. Wer also Interesse hat und selbst einmal mit anderen unter Wasser um einen mit Salzwasser gefüllten Ball fighten möchte, tut dies am besten mittwochs, zwischen 20 und 21.30 Uhr. Dann trainieren die Sportbegeisterten im Schinkelbad in Osnabrück.
Wer jetzt neugierig ist und auch einmal abtauchen möchte, der kann sich an den Unterwasserclub Osnabrück wenden. Mehr Infos zum Osnabrücker Verein unter:
www.uco-ev.de
Text: André Pottebaum / Fotos: Wolfgang Büttner/Unterwasserclub Osnabrück