Akrobatinnen und Akrobaten, die elegant und scheinbar schwerelos durch die Lüfte gleiten und waghalsige Sprünge vorführen. Das Trampolinturnen löst seit Jahrzehnten eine große Faszination aus. Warum selbst der große Zeh entscheidend sein kann und was das alles mit unserer Vorstellungskraft zu tun hat – das alles durfte ich beim TV Schledehausen kennenlernen.
Ob als Fitness- oder als Freizeitgerät, zum Auspowern im Garten oder in einer noch größeren Form in Freizeithallen – auf einem Trampolin hat schon fast jeder einmal gestanden. Und wer selbst mal akrobatische Übungen wie einen Salto ausprobiert hat, der weiß, dass das gar nicht so einfach ist, wie es aussieht. Seinen Ursprung hat das Trampolinturnen im Zirkus. Das erste professionelle Sportgerät wurde 1958 auf dem deutschen Turnfest vorgestellt. Seit 2000 ist das Trampolinturnen offiziell olympische Disziplin.
Samstag, 9:30 Uhr: Ich öffne die Hallentür der Waldsporthalle. Sofort sehe ich Sportlerinnen des TV Schledehausen scheinbar kinderleicht durch die Lüfte fliegen. Die Trainerin der Fortgeschrittenengruppe, Anke Glaeser, empfängt mich herzlich. Zusammen gehen wir in die lichtdurchflutete Halle. Vor mir sind zwei riesige Trampoline, die um die 1,15 Meter hoch sind, aufgebaut. Auf diesen können Sprunghöhen von bis zu sieben Metern erreicht werden.
Daneben stehen Matten und Trainingsgeräte. Am anderen Hallenende sehe ich ein sogenanntes Doppelminitrampolin, das Paradegerät des TV Schledehausen. Eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn hatten die Mädchen und jungen Frauen sich zum Aufwärmen und Besprechen in der Halle getroffen. Die Wettkampfgruppe trainiert hier jeden Samstagvormittag gezielt auf Turniere hin. An diesem Morgen sind sechs Mädchen und junge Frauen im Alter von zehn bis 18 Jahren da.
Sehr engagiert
Unterstützt wird die Gruppe von Anke Glaeser, Manja-Marietta Schwietert und Eva Peukert. Drei Mal pro Woche treffen sich Trainerinnen sowie Athletinnen und Athleten jeweils für zwei bis drei Stunden. Der Verein organisiert auch Kadermaßnahmen und Trainingslager. Im Sommer gibt es jedes Jahr mit der Gemeinde Bissendorf zusammen eine Ferienpass-Aktion. Hier können Kinder und Jugendliche aus der Region das Trampolinturnen ausprobieren.
Die Wettkampfgruppe hat schon etliche Erfolge erzielt. Insa Klenen und Maxima Handt werden mir später davon erzählen. Mir fällt auf, dass sich die Athletinnen gegenseitig viel unterstützen. Sie filmen sich und geben sich Rückmeldungen. Vor den eigentlichen Übungen springen sie einige Sprünge auf einem bestimmten Punkt. Wie mir später erklärt wird, ist das wichtig, um den perfekten Absprungpunkt zu finden. Denn auch der ist entscheidend. Beim Trampolinturnen muss man auf sehr viele Details achten.
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Damit ein Sprung gelinge, sei sogar die Absprungkraft des großen Zehs von Bedeutung, erklärt mir Anke Glaeser. Wir stehen zusammen am Hallenrand und blicken auf die Trampoline. Anke Glaeser, 50 Jahre alt, war selbst lange als Trampolinturnerin aktiv. Bereits im Alter von elf Jahren startete sie ihre Laufbahn in Melle unter der Aufsicht ihres Trainers Uwe Ludwig. Dieser inspirierte sie, selbst als Trainerin und Kampfrichterin tätig zu werden. Zusammen mit seiner Tochter Tina Gottschalk, mehrfache deutsche Meisterin, sei Ludwig stets ihr sportliches Vorbild gewesen.
Anke Glaeser konnte durch „harte Arbeit“, wie sie selbst sagt, einige Erfolge erzielen. Darunter auch die Bronzemedaille bei den Deutschen Meisterschaften 1994 und einen DM-Sieg mit der Mannschaft 1995. Sie begleitete als Betreuerin die Jugendnationalmannschaft zu Turnieren in diverse Länder und ist seit 30 Jahren als Kampfrichterin mit nationalen und regionalen Lizenzen aktiv. Bis vor fünf Jahren trat sie selbst noch bei internationalen und nationalen Wettkämpfen an.
In Schledehausen ist Anke Glaeser seit 23 Jahren Trainerin und seit 20 Jahren Abteilungsleiterin. Das Trampolinturnen hat sich hier vor fast drei Jahrzehnten entwickelt. Viele Aktive von damals sind heute Trainer und auch ihre eigenen Kinder können sich für das Trampolinturnen begeistern. So trifft das Trampolinturnen in Schledehausen generationsübergreifend auf große Begeisterung.
Nun ruft Anke Glaeser den Athletinnen die Übung zu, die sie turnen sollen. Diese haben Namen wie zum Beispiel „P1“, eine Kombination aus mehreren Übungen: ein Sitzsprung, ein Hocksprung und ein Grätwinkelsprung. „Die klingen schon ein wenig wie Matheformeln“, sagt sie. Die Übungsnamen sind der Art und dem Schweregrad zugeordnet. Die Sportlerinnen sind während des Trainings sehr fokussiert. „Während des Sprunges sind die Athletinnen in einem Tunnel“, sagt Trainerin Glaeser. Trampolin sei zu 70 Prozent „Kopfsache“. Ein kleiner Fehler kann das Gelingen der gesamten Übung gefährden. Deswegen stellen sich die Turnerinnen und Turner vor dem eigentlichen Sprung die Übungsabläufe wieder und wieder vor.
Wie beim Fliegen
Was von außen so elegant und graziös aussieht, möchte ich nun selbst versuchen. Selbstbewusst denke ich mir: „Das kann doch gar nicht so schwer sein.“ Als Kind war ich ja immerhin viel auf dem Trampolin und habe den einen oder anderen Salto geschafft. Doch schnell werde ich eines Besseren belehrt. Bereits der erste Sprung zeigt mir: Dieses Trampolin der Profis ist definitiv anders als das aus meinen Kindheitstagen! Erschrocken stelle ich fest: Ich springe viel höher, als ich es eigentlich geplant hatte. Einen kleinen Moment fühlt es sich wie Fliegen an, aber schnell habe ich Angst, dass dieser Flug mit einer Bruchlandung endet. Ich komme noch mit einem Schreck davon und lande halbwegs sicher auf meinen zwei Beinen. Zwei der Turnerinnen, Insa Klenen und Maxima Handt, stehen mir, falls ich Hilfe brauche, zur Seite und lächeln mich aufmunternd an. Ich stelle fest, wie viel Körperspannung und Kraft man für das Trampolinturnen braucht, und bewundere Eleganz und den Mut der Athletinnen.
Nach meinem Selbstversuch treffe ich Insa und Maxima, beide 18 Jahre alt, zum Interview. Beide sind seit vielen Jahren im Trampolinturnen erfolgreich. Sie sind bereits mehrfach in den letzten Jahren bei Deutschen Meisterschaften und beim Deutschland-Cup angetreten. Insa Klenen gewann in diesem Jahr DM-Silber auf dem Doppelmini (U19). Maxima Handt kam in derselben Altersklasse auf Rang 6. Schledehausen hat viele weitere erfolgreiche Trampolinspringerinnen hervorgebracht. So gewannen auch schon Merle Ahlers (19+) und Amelie Diekmeier (U19) in ihrer Altersklasse den Deutschland-Cup auf dem Doppelminitrampolin.
Viele Talente
„Ich habe das Trampolinturnen durch eine Freundin kennengelernt. Ich bin dann erst mit in die Anfängergruppe gekommen und nach ein paar Monaten bin ich dann in die Leistungsgruppe gewechselt“, sagt Insa und Maxima ergänzt: „Ich bin als Kind immer sehr viel Trampolin gesprungen. Meine Eltern hatten dann die Idee, dass ich das auch im Verein machen könnte.“
„Viele von uns kommen aus dem Turnen. Das ist definitiv vorteilhaft, weil man dann schon eine Grundspannung hat. Was mir besonders Spaß macht, ist das Turnen am Doppelminitrampolin. Am Großgerättrampolin lerne ich vor allem gern neue Küren“, sagt Insa und blickt auf die nächsten Turniere: „Ein großes Ziel von uns sind die Synchronwettkämpfe der Deutschen Meisterschaft. Ansonsten schauen wir auf die Jugendweltmeisterschaft im nächsten Jahr. Wir können unsere Chancen da noch gar nicht einschätzen, aber wir möchten auf dem Doppelminitrampolin darauf hinarbeiten, erfolgreich abzuschneiden.“
Und die nächsten Talente stehen in Schledehausen schon in den Startlöchern beziehungsweise längst auf dem Trampolin. Die 13-jährigen Freya Hinz und Josefine Bone sowie die zehnjährige Jale Bothmer zeigen schon beachtliche Sprünge.
Mein Besuch beim TV Schledehausen hat mir gezeigt, dass Trampolinturnen weit mehr ist als das, was man aus dem eigenen Garten kennt. Insbesondere die mentale Stärke sowie Ausdauer und Kraft sind entscheidend. Komplizierte Übungen muss man sich häufig erst einmal zutrauen und natürlich auch merken können. Das, was wie Fliegen aussieht, erfordert viel Arbeit und Disziplin. Die Freude und die Leidenschaft der Trampolinturnerinnen des TV Schledehausen waren allgegenwärtig und definitiv ansteckend.
Text: Kim Wilmering, Fotos: Bernd Engel, Anke Glaeser, Holger Hoffmann