Hallo Kenny, wir duzen uns ganz sportlich?
Ja, klar.
Du wirst auf der Straße angesprochen. Woher kennt man Dich?
Die meisten kennen mich aus dem TV. Ich habe mit Hans Sarpei die Sendung „Das T steht für Coach“ gemacht.
Wie kamst Du in die Sendung?
Ich war bei einer Kölner TV-Produktionfirma angestellt. Wir haben dort zum Beispiel die Sendung „Tamme Hanken – Der XXL Ostfriese“ produziert. Ich war als Redakteur für die Planung der Sendungen zuständig. Durch den Geschäftsführer André Schubert lernte ich Hans Sarpei kennen, denn der André war vor mir der Co-Trainer bei „Das T steht für Coach“. Er hat die Sendung sozusagen erfunden. So bin ich Hans dann häufiger bei über den Weg gelaufen und es entstand eine Freundschaft.
Da warst Du aber noch nicht Teil der Sendung, oder?
Genau. Hans Sarpei hat mich irgendwann angerufen und gesagt, dass sein aktueller Co-Trainer nicht mehr in dem Format dabei sein wird. Ich habe ihm dann spaßeshalber angeboten, wenn er niemanden findet, soll er sich melden. Ein paar Tage später rief er wieder an und fragte mich, ob ich nicht sein Co-Trainer werden möchte. Ich wollte den Job eigentlich gar nicht machen, aber Hans hatte mich für die Sendung schon ins Gespräch gebracht. Der Rest ist TV-Geschichte (lacht). Von 2015 bis 2018 bin ich dabei gewesen. Peter Neururer war später ebenso Teil des Teams. Die Dreharbeiten haben immer Spaß gemacht. Aber irgendwann verging mir der Spaß, weil wir da in feste Rollen gepresst wurden und ich der etwas übereifrige Co-Trainer sein sollte. Ich bin nach zwei Jahren ausgestiegen und habe meine Fußballschule FUSSBALLSTARZ gegründet, bei der ich hauptsächlich mit Kindern und Jugendlichen arbeite. Die Freundschaft zu Hans hat aber keinen Schaden genommen.
Du kommst eigentlich aus der Handballecke habe ich gelesen?
Ja, ich habe fast 20 Jahre für den VfL Gummersbach gespielt. Auch wenn ich vielleicht nicht so aussehe, aber ich war früher wirklich mal ein topfitter Leistungssportler.
Warum hast Du aufgehört?
Mit 18 hatte ich eine schwere Knieverletzung. Beim Warmmachen mit den Profis vom VfL bin ich mit dem Knie gegen den Pfosten geknallt. Dann war der Meniskus im Eimer. Das war ein harter Schlag.
Und wie bist Du von Gummersbach nach Osnabrück gekommen?
Der Liebe wegen. Meine Frau ist in Bramsche geboren, wohnte damals aber schon in Osnabrück.
Was genau machst Du in Deiner Fußballschule FUSSBALLSTARZ?
Ich arbeite mit Kindern von sechs bis 14 Jahre. Beim FC PlayFair! bin ich Abteilungsleiter und Schirmherr für den Jugend- und Amateurfußball. Die Ziele der FUSSBALLSTARZ sind: Integration, Inklusion, Fair Play und Wertevermittlung. Sechsjährigen Kindern kannst du noch viel vorleben. Mir ist wichtig, dass ich den Kindern etwas fürs Leben mitgebe. Wenn du gegenüber deinen Mitspielern und dem Schiedsrichter fair bist, dann wirst du das auch in der Schule und im Berufsleben sein. Sie sollen Empathie entwickeln, aufeinander achten und zum Beispiel mal schwächeren Spielern den Ball abgeben und diese fördern.
Wie läuft das dann ab?
Im Winter haben wir für Sportcontact in der Soccer Halle in Atter fünf Kinderturniere veranstaltet. Ich war der Moderator, habe die Turnierleitung gemacht und die Regeln festgelegt. Ich will nicht, dass ein Trainer sagt: „Wir machen das andere Team jetzt fertig“, wenn die Mannschaft ohnehin schon hoch führt. Oder dass von außen die Eltern irgendwas Unfaires reinrufen und den eigenen Kindern zu viel Druck machen. Die Kinder sollen selber entscheiden und sich entschuldigen, wenn sie jemanden aus Versehen gefoult haben. Oder wenn einer hinfällt und da den sterbenden Schwan macht, dann sage ich ihm: „Wenn es zu sehr weh tut, dann musst du ausgewechselt werden oder du setzt dich jetzt wieder für deine Mannschaft ein und stehst sofort wieder auf.“ Das funktioniert in der Regel gut, denn die Kinder merken, dass sie auch eine Eigenverantwortung für ihre Mannschaft haben.
Würdest Du sagen, der Profifußball ist ein schlechtes Vorbild?
Ja, der Profifußball gibt kein gutes Beispiel ab. Wenn du dir zum Beispiel den Brasilianer Neymar anguckst, dann ist das doch wirklich ein Witz. Er ist einer der besten Spieler der Welt, das muss man neidlos anerkennen. Was der mit dem Ball kann – Weltklasse! Aber sein Verhalten: Sich andauernd fallen zu lassen und dann auch noch diskutieren, das ist so unwürdig für einen Spieler seines Formats.
Wie vermittelst Du den Kindern Dein Anliegen?
Wir haben Campregeln. Zum Beispiel: Fairer Umgang, andere ausreden lassen, ich bin vorsichtig und nehme Rücksicht auf die anderen. Zu Beginn des Fußballcamps lege ich die Regeln aus. Die Kinder bekommen einen Turnbeutel mit einem Trikot, Stutzen, einer Getränkeflasche und Infomaterial zu den Campregeln und dem Thema gesunde Ernährung. Ich versuche alle Bereiche abzudecken.
Und wie lernen sie diese Regeln?
Am ersten Tag sitzen wir zusammen. Die Kinder, die schon lesen können, tragen die Regeln vor und wir besprechen sie gemeinsam. Mir ist wichtig, dass alle Spaß haben, auch der schwächste Spieler. Alle sind Starz bei uns. Deswegen heißen wir ja auch FUSSBALLSTARZ. Bei uns gibt es nicht nur die gelbe und die rote Karte, sondern auch eine grüne Karte. Sie bedeutet, dass man sich besonders fair verhalten hat. Eine der wichtigsten Sachen: Der Respekt vor dem Schiedsrichter. Die Kinder sollen lernen, dass es ohne den Schiedsrichter nicht geht.
Woher kommen Deine Teilnehmer?
Die Gruppen sind bunt gemischt. Der Großteil der Kinder stammt natürlich aus etwas besser betuchten Familien, die sich die Teilnahmegebühren für solch ein Camp leisten können. Es sind aber auch Kinder aus sozial benachteiligten Familien dabei, Flüchtlingskinder, Kinder die im Heim leben oder von Sozialen Diensten unterstützt werden, Mobbingopfer, Kinder mit Inklusionshintergrund. Es kommt immer darauf an, wie viele Sponsoren ich finde, die diese Kinder einladen und die Campplätze für diese Kinder einkaufen. Wenn ein Verein mich bucht, dann mache ich das gerne, aber es müssen immer mindestens fünf Kinder dabei sein, die sonst nichts mit dem Sport zu tun haben und aus den eben genannten Bereichen stammen.
Und wie finden Eltern das?
Manche Kinder wohnen am Westerberg oder in Lüstringen. Diese Familien können sich mein Camp locker leisten. Viele Eltern von Kindern, die die Heiligenwegschule im Stadtteil Schinkel besuchen, können sich das aber nicht ohne Weiteres leisten. Diese Familien begegnen sich im Alltag nicht und haben nichts miteinander zu tun. Deswegen gibt es unglaublich viele Vorurteile und Ängste, zum Beispiel gegenüber Flüchtlingen. Manche Kinder denken wirklich, Flüchtlinge seien schlechte Menschen. Das haben sie von ihren Eltern. Im Camp spielen sie dann gemeinsam in einer Mannschaft und freunden sich an. So können sich die Kinder mal ein eigenes Bild machen und das finde ich wichtig.
Du bist auch an Schulen unterwegs. Was machst Du da?
Meine Frau ist Pädagogin im Hort Schinkelkids. Gemeinsam mit meinem Freund Addy Menga machen wir dann zusammen etwas mit den Kindern, spielen gemeinsam Fußball und erzählen denen, dass es wichtig ist, die Schule zu beenden und eine Ausbildung zu machen. Nicht jeder kann Fußballprofi, Sänger oder Youtuber werden. Man muss denen auch mal die Wahrheit sagen. Ich erzähle, dass ich einen Bürojob gelernt habe. Und wenn es mit meinen Fußballcamps nicht klappen sollte, dann kann ich immer wieder zurück ins Büro gehen. Manche gucken dann doof, aber sie merken schnell, dass wir keinen Scheiß erzählen.
Aber Ihr spielt im Camp auch richtig gegeneinander, oder?
Ja, klar. Aber wir trainieren vielleicht nur 80 bis 90 Prozent der Zeit, dafür nehmen wir uns viel Zeit und reden miteinander. Meine Ansätze sind anders als die der meisten Fußballcamps. Es geht vor allem darum, dass sie alle Spaß haben und motiviert sind. Deswegen bekommen am Ende alle eine Urkunde von mir. Es gibt auch Sonderurkunden für das beste Sozialverhalten zum Beispiel.
Jeder Sportler braucht ab und zu eine kleine Stärkung. Wie machst Du das?
Wir machen ganz viel mit gesunder Ernährung. Alle bekommen das Gleiche zu essen, keiner darf sich etwas mitbringen. Viele fragen dann in der Pause: „Kann ich mit dem Handy spielen?“ Bei uns gibt es aber ein Handyverbot. Sonst sitzen die in jeder freien Minute an ihrem Smartphone. Die Kinder sollen sich miteinander beschäftigen. Sie können mich etwas fragen oder mal ein Flüchtlingskind fragen, wie es nach Deutschland gekommen ist. Der Onkel des Jungen wurde vielleicht auf der Flucht erschossen. Das ist hart, aber die Kinder leben doch nicht in einer Zuckerwolke. Denen müssen doch mal die Augen geöffnet werden.
Welches Ziel verfolgst Du mit Deinem Camp?
Jedes Kind soll bei uns lernen, dass man respektvoll miteinander umgeht. Die sollen sich gegenseitig loben. Wenn einer ein mega Tor geschossen hat, dann kann man das dem Spieler ruhig mal sagen – auch wenn er im gegnerischen Team ist. Die meisten Kinder spielen in einem Verein Fußball. Nach meinem Camp gehen sie dann wieder zurück und nehmen das mit, was ich vermittelt habe. Sie helfen beim Aufräumen, tragen das Equipment. Man muss für Kinder etwas tun, damit die nicht nur vor der Playstation hängen.
Apropos Playstation: In dem Bereich bist Du fit, oder?
Ja. In dem Bereich habe ich mein Projekt Play it like Kenny. Dabei spielen wir auf der Playstation FIFA. Aber nicht Mann gegen Mann, sondern wir spielen immer zwei gegen zwei. Dabei ist es wichtig, dass du mit dem anderen interagierst. Das ist wie beim echten Fußball, du musst miteinander kommunizieren. Das haben wir zum Beispiel in einer Soccer-Halle gemacht. Nach dem Spielen gehen die beiden Teams dann von der Playstation direkt zum echten Tor und machen ein Elfmeterschießen gegeneinander. Wenn du bei FIFA das Spiel gewinnst, dann bekommst du drei Punkte. Dann hast du aber noch drei Einzelwettbewerbe auf dem echten Spielfeld, bei denen du jeweils einen Punkt ergattern kannst. Diese Elemente sind kombinierbar, denn du kannst im echten Fußball genauso viele Punkte holen wie in der virtuellen Welt.
Eine Frage habe ich noch zum Abschluss: Wie viele Brillen hast Du eigentlich?
Ich trage immer alles nur von einer Marke und würde niemals Marken mischen. Die Brille ist auch immer das gleiche Modell. Ich habe mehr als hundert Brillen – ohne Gläser, das ist ganz wichtig. Die Kinder fragen mich natürlich danach und ich sage: „Da sind schon Gläser drin, aber das sind Zaubergläser. Wenn ihr hinter meinem Rücken Blödsinn macht, dann kann die Brille das sehen.“ Manche Kinder glauben das und benehmen sich extra gut beim Camp.
Infos:
Kenny Krause ist 43 Jahre alt. Er wurde in Kenia geboren und ist in Gummersbach aufgewachsen. Mittlerweile lebt er in Osnabrück. Wer Interesse am Projekt FUSSBALLSTARZ hat und ein Camp durchführen möchte, er kann sich unter www.fussballstarz.de bei Kenny Krause per Mail oder Facebook bzw. Instagram melden. Das Projekt FUSSBALLSTARZ ist Teil des Vereins FC PlayFair!. Selbsterklärtes Ziel des Vereins: Er will Probleme im deutschen Fußball aufzeigen und versucht, Fans, Vereine, Funktionäre und Verbände an einen Tisch zu bringen, damit gemeinsam Lösungen gefunden werden. Der Verein verfügt über einen Beirat, dem unter
anderem Grünen-Chef Cem Özdemir, der ehemalige Bayern-Mediendirektor Markus Hörwick und der frühere Fifa-Schiedsrichter Urs Meier angehören.