Der zwölf Quadratmeter große Raum ist verdunkelt. Die Tür muss immer geschlossen sein. Wegen der beiden Katzen, die sonst großen Schaden anrichten könnten. Dieter Lippelt, 82 Jahre alt, Welt- und Europameister im Tischtennis, öffnet behutsam die Tür. Die Ansicht ist überwältigend. Viele Regalbretter sind prall gefüllt mit Eierpaletten. In ihnen ist Gelbes, Pinkes, Blaues und viel Weißes mit Farbtupfern zu erkennen. Man könnte fast meinen, der Osterhase lagert hier ganzjährig bunte Eier. Doch es geht um Tischtennisbälle, genauer 8266 Tischtennisbälle. Dieter Lippelt hat hier in Bad Iburg in seinem Haus eine der größten Sammlungen der Welt.
Normalerweise sind die Paletten mit Zeitungspapier abgedeckt, um die Bälle vor Licht und Schmutz zu schützen. Dieter Lippelt hat seine Sammlung heute freigelegt. Wie jemand, der seinen Oldtimer aus der Garage gefahren hat. Die Bälle, einige auch in Schaukästen, sind akribisch sortiert – alphabetisch und nach Größe und Material. Die meisten Bälle sind aus Plastik oder Zelluloid. Das vielleicht wertvollste Exemplar ist aus Kork, hergestellt vor 1900, denn erst 1900 wurden Zelluloidbälle im Tischtennissport eingeführt, so Lippelt. Lippelt hatte drei dieser Bälle. Einen hat er als ständige Leihgabe ins Düsseldorfer Tischtennis-Museum gegeben. „Reichlich teuer“ waren diese. Er schätzt das er heute für einen solchen Ball 500 Euro bekommen würde.
Dieter Lippelt holt behutsam weitere Bälle aus ihrem Unterschlupf. Er zeigt zwei Bälle aus Japan, sehr limitierte Auflage, Hersteller: Nittaku, Größe: 35 Millimeter, Material: Zelluloid. Auf dem einen ist der Fuji zu sehen, Japans höchster Berg. Der andere zeigt ein japanisches Gemälde.
Lippelt sammelt seit 1986. Damals, bei einem internationalen Turnier in Rotterdam, spricht ihn ein niederländischer Sammler an. Lippelt verspricht, ihm einige Bälle aus Deutschland zu senden. Die Firma Hanno ist damals Sponsor der Bundesligamannschaft des VfL Osnabrück, für die Lippelt spielte, und spendiert einige Bälle. Lippelt schickt sie dem Sammler aus den Niederlanden – und bekommt niederländische Bälle zurück. Nun sammelt Dieter Lippelt.
In den Sommerferien 1987 kauft er Bälle in der Bretagne. Er klopft bei Firmen an. Er übernimmt kleinere Ballsammlungen, fährt zu Tauschbörsen. Und er tauscht mit Sammlern weltweit. Ein Lette ist dabei, ein Tscheche, ein Belgier. Sie tauschen sich anfangs per Post aus, seit vielen Jahren wird per E-Mail verhandelt. Bei Europa- und Weltmeisterschaften lernt er Spieler aus vielen Ländern kennen. Sie unterstützen ihn. Ein türkischer Spieler sendet Bälle nach Bad Iburg. Post kommt auch aus Brasilien oder der Schweiz.
Bei den Weltmeisterschaften 2010 in China lässt sich Dieter Lippelt das Wort „Tischtennisbälle“ von einem Chinesen aufschreiben und wird in Geschäften mit Hilfe des „Spickzettels“ fündig.
All das hat Dieter Lippelt akribisch notiert. Nachdem wir im „Ballsaal“ waren gehen wir in sein Arbeitszimmer ein Stockwerk über den Bällen. Lippelt druckt mir 14 Seiten aus – die Geschichte seiner Sammlung. Und er zeigt mir, dass er die 8266 Bälle alle im Computer erfasst hat. Ich kann mich kaum konzentrieren, denn auch das Arbeitszimmer gleicht einem Museum. Hier sind über 500 Trophäen und Medaillen ausgestellt, blitzeblank und akkurat angeordnet.
Die Geschichte über Lippelts Erfolge und meinen kläglichen Versuch, ihm an der Tischtennisplatte Paroli zu bieten, gibt es in der zweiten Ausgabe von „Sportlich unterwegs“, die im September 2020 erscheint.